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The Rudolf Steiner Archive

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Collected Essays on Drama 1889–1900
GA 29

Automated Translation

Das Magazin für Litertur 1898, Volume 67, 20

143. A Dramaturgical Study

Dramaturgical studies of individual outstanding stage artists are decidedly of the greatest use both to members of the acting profession and to theater critics. And the theater audience will also be interested in them. Our views on the art of the stage only come to life when they are enriched by a concrete study of the individual performer, his particular characteristics, his means and the way he uses them. Such a study has recently been published: "Friedrich Haase", a dramaturgical study by Otto Simon (Berlin, Verlag Alexander Duncker, 1898). In every respect, it offers a distorted picture of what can be expected from such a work. A certain superiority of vision, which is necessary to characterize the degree of artistry of the individual performer, is completely absent here. On the other hand, there is a boundless praise and unconditional adoration of the actor described, which makes the author of the book blind and inaccessible to any critical point of view. The booklet is written as if it were about the greatest German actor.

And one requirement has not been met. The author of such a work must have the ability to keenly observe the peculiar way in which the stage artist shapes his roles, the special means he uses to make his intentions obvious. And he must also have the ability to describe this peculiarity in a precise, unambiguous way. Otto Simon has neither. He talks about the character of the artist he is describing in general, vague, unclear terms, which at best characterize the somewhat hazy thoughts that went through the author's mind when he played Friedrich Haase, but reveal absolutely nothing about the way in which the artist expressed his intentions in a meaningful, theatrically effective way. Despite many words, Haase's acting physiognomy does not emerge clearly anywhere.

A few examples will make it clear. What do we gain from the fact that we are told of Haase's Hamlet: "To Mr. Haase, the basic idea in the figure of the Danish prince appears to be religious (Christian) conscientiousness in conflict with the demands which external existence and honour (the vivid consciousness of his future profession as ruler) make on a man who is more at home in the world of ideals than in reality. The idea of Hamlet is -- in Mr. Haase's opinion -- a higher one than that of the mere witty pomposity, aesthetic over-stimulation and characterless weakness of the modern age - qualities which were as yet foreign to the age of Shakespeare." Of Duke Alba it is said: "In Haase's portrayal we see the iron duke fully embodied, a lean, tall, elastic figure, tautly soldierly and yet with a knightly bearing, consolidated in himself by royal authority and his own willpower, a highly significant head with a powerful forehead of thought, sometimes cold, fixed, sometimes demonically glowing eye stars, the characteristic long, narrow alba beard, dressed in dark, albeit expensively decorated Spanish costume, the long spider legs, as the cheeky mocker Vansen says, in dark riding boots reaching up to the body: thus we see in Haase's Alba the famous Spanish general before us, all concentrated strength, determination, indomitability according to his own and yet only the king's will."

It cannot be denied that in this characterization an attempt is made to describe how the artist sought to present his intentions to the eye. However, there is no trace of such an attempt in the description of the Thorane role. "Haase's mastery as Thorane lies mainly in the fact that he knows how to fuse such opposing qualities and habits as the tendency to melancholy reverie and easily aroused national sentiment, enthusiastic love of the fine arts and military firmness, shyness of women and chivalrous nobility where he comes into contact with them, into a unified image, and that he also gives this figure the finest polish and the characteristic tone of the old French aristocracy." This is a portrayal of the character of Count Thorane, not a characterization of Friedrich Haase's acting style.

What is usually a shortcoming in similar works can also be seen here: the main emphasis is not placed on the specifics of the art of acting; indeed, the author lacks the ability to separate what constitutes the essence of this art from the overall stage picture.

EINE DRAMATURGISCHE STUDIE

Dramaturgische Studien über einzelne hervorragende Bühnenkünstler sind entschieden sowohl für die Mitglieder des Schauspielerstandes als auch für den Theaterkritiker von dem größten Nutzen. Und auch das Theaterpublikum wird Interesse an ihnen haben. Unsere Anschauungen über die Bühnenkunst gewinnen erst das rechte Leben, wenn wir sie bereichern durch die konkrete Betrachtung des einzelnen Darstellers, seiner besonderen Eigentümlichkeiten, seiner Mittel und der Art, wie er sich deren bedient. Vor kurzem ist nun eine solche Studie erschienen: «Friedrich Haase», eine dramaturgische Studie von Otto Simon (Berlin, Verlag Alexander Duncker, 1898). Sie bietet in jeder Beziehung ein Zerrbild dessen, was man von einer solchen Arbeit verlangen kann. Eine gewisse Überlegenheit der Anschauung, die notwendig ist, um den Grad der Künstlerschaft des einzelnen Darstellers zu kennzeichnen, fehlt hier ganz. Dagegen tritt eine unbegrenzte Anpreisung und eine unbedingte Anbetung des beschriebenen Schauspielers hervor, die den Verfasser der Schrift für jeden kritischen Gesichtspunkt blind und unzugänglich macht. Das Büchlein ist so abgefaßt, als ob es sich um den größten deutschen Schauspieler handelte.

Und eine Forderung ist nicht erfüllt. Der Verfasser einer solchen Schrift muß die Fähigkeit haben, scharf zu beobachten, in welcher eigenartigen Weise der Bühnenkünstler seine Rollen gestaltet, welcher besonderen Mittel er sich bedient, um seine Absichten augenfällig zu machen. Und dazu muß er die Fähigkeit haben, in präziser, eindeutiger Weise diese Eigenart zu beschreiben. Otto Simon hat beides nicht. Er redet über die Eigenart des von ihm beschriebenen Künstlers in allgemeinen, unbestimmten, unklaren Ausdrücken, die höchstens die etwas verwaschenen Gedanken charakterisieren, die dem Autor bei einer Rolle Friedrich Haases durch den Kopf gegangen sind, aber rein gar nichts davon verraten, auf welche Weise der Künstler seine Absichten zum sinnfälligen, theaterwirksamen Ausdruck gebracht hat. Trotz vieler Worte tritt die schauspielerische Physiognomie Haases nirgends klar hervor.

Durch einige Beispiele wird es klar werden. Was gewinnen wir dadurch, daß uns von Haases Hamlet gesagt wird: «Herrn Haase erscheint als die Grundidee in der Figur des Dänenprinzen die religiöse (christliche) Gewissenhaftigkeit im Konflikt mit den Anforderungen, welche die äußere Existenz und die Ehre (das lebhafte Bewußtsein seines künftigen Herrscherberufes) an einen Menschen stellen, der in der Welt der Ideale heimischer ist als in der Wirklichkeit. Die Idee Hamlets ist —- nach Herrn Haases Ansicht — eine höhere als die der bloßen geistreichen Blasiertheit, ästhetischen Überreizung und charakterlosen Willensschwäche der modernen Zeit — Eigenschaften, welche dem Zeitalter Shakespeares an sich noch fremd waren.» Von Herzog Alba wird gesagt: «In Haases Darstellung sehen wir den eisernen Herzog voll verkörpert, eine hagere, hohe, elastische Gestalt, straff soldatisch und doch sitterlicher Haltung, in sich gefestigt durch königliche Autorität und eigene Willenskraft, ein hochbedeutender Kopf mit mächtiger Gedankenstirn, bald kalten, starren, bald dämonisch-glühenden Augensternen, dem charakteristischen langen, schmalen Albabarte, gekleidet in dunkles, wenn auch kostbar verziertes spanisches Kostüm, die, wie der freche Spötter Vansen sagt, langen Spinnbeine in bis zum Leibe reichenden dunklen Reitstiefeln: so sehen wir in Haases Alba den berühmten spanischen Feldherrn vor uns, alles konzentrierte Kraft, Entschlossenheit, Unbeugsamkeit nach eigenem und doch nur des Königs Willen.»

Es ist nicht zu leugnen, daß in dieser Charakteristik ein Ansatz dazu gemacht ist, zu schildern, wie der Künstler seine Absichten dem Auge dazustellen suchte. Jede Spur eines solchen Versuches fehlt dagegen in der Beschreibung der Thorane-Rolle. «Die Meisterschaft Haases als Thorane beruht hauptsächlich darin, daß er so entgegengesetzte Eigenschaften und Gewohnheiten, wie den Hang zu schwermütiger Träumerei und leicht erregbares Nationalgefühl, begeisterte Liebe für die schönen Künste und militärische Straffheit, Scheu vor den Frauen und ritterliche Artigkeit, wo er mit ihnen in Berührung kommt, zu einem einheitlichen Bilde zu verschmelzen weiß, und daß er dieser Figur noch dazu den feinsten Schliff und den charakteristischen Ton der altfranzösischen Aristokratie verleiht.» Das ist eine Darstellung des Charakters des Grafen Thorane, nicht eine Charakteristik der schauspielerischen Art Friedrich Haases.

Was bei ähnlichen Arbeiten gewöhnlich als Mangel auftritt, das gewahren wir auch hier: auf das Spezifische der Schauspielkunst wird nicht der Hauptton gelegt; ja, es fehlt dem Verfasser das Vermögen, von dem Gesamtbühnenbilde das abzutrennen, was das Wesen dieser Kunst ausmacht.