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The Rudolf Steiner Archive

a project of Steiner Online Library, a public charity

Collected Essays on Drama 1889–1900
GA 29

Automated Translation

Magazin für Literatur 1898, Volume 67, 5

76. “The Balcony”

Drama by Gunnar Heiberg
Performance by the Berliner Dramatische Gesellschaft at the Residenz-Theater, Berlin

The "Uninvited" was followed by Gunnar Heiberg's "Balcony". I have a very special relationship with this poet. When I saw his "King Midas" in Vienna ten years ago, I was half crazy. I came out of the theater with an unlimited Heiberg crush. I couldn't go home, I sat down enthusiastically in the nearest pub, had a pen and ink handed to me and stammered words on the paper. - I wrote "The weather lights of a new era" on it. I gave them to a friend who edited a magazine - the kind that a hundred people, i.e. nobody, read. That's when they appeared. Then I went to my friends, all intelligent people. You have to go in there, I told them. They went in and laughed at me. They treated me like a child's head.

I've grown older since then. But the derisive laughter that could be heard continuously last Sunday while the "Balcony" was being played had something hurtful for me. For me, Heiberg is a poet for whom I forgive his vices for the sake of his virtues.

There is Julie, the woman who can love brilliantly and wants to be loved, and who, through the sincerity of her need for love, becomes a cynic in the sense that Nietzsche wants cynicism to be understood. She is married to Reßmann, the disgusting man. With Abel, the scholar, the enthusiast who serves humanity, she cheats on the old disgusting man, Reßmann. When he surprises her with her lover, she introduces Abel as the buyer of the house she owns together with Reßmann. One of the features of this house is the balcony, which is cracked. Reßmann wants to show the buyer all the details of the house. He tramples on the cracked balcony to give him an idea of its strength. The balcony collapses and the disgusted man splits his skull. The lovers are rid of the disgusting husband. Julie and Abel thank the Creator for their freedom with folded hands. That is perhaps crude - if you only want truths for the well-meaning. Why did she marry this Reßmann if she detests him so much? - ask the well-meaning. Perhaps they are right. But rights are as cheap as blackberries.

Abel is a scholar. He works for humanity. He lectures them so that they may become perfect. But his relationship with the love-thirsty Julie grows cold. She is happy with him. But only until the man comes whose passion overwhelms her. A man who has retained his physical strength alongside his spirituality. She cheats on the second man with him. And he behaves impeccably as a deceived philosopher. He resigns himself to his fate. What is the fact that he has lost the heart of his beloved wife compared to the fact that we all have to die one day - that means parting, not only from a beloved wife, but from all the joys of existence?

Smart people have figured out that the drama is a satire on love, and still other smart people think it's a parody of Ibsen's and Björnson's dramatic style. For my part, they may be right. I see in the play a piece of life that takes place between people who follow their hearts. They don't play any more comedy than this imperfect life needs, but this necessary play with all the cynicism it can't do without.

Hans Pagay played Reßmann, the disgusting character, to great effect. During rehearsals, he didn't want to believe that he was going to smash his head because he wanted to portray the balcony to the house buyer as firmly as possible. Through his acting, he also seems to have suggested this opinion to the audience.

The cynical, sincere woman was played by Mila Steinheil with all the subtlety that this role requires. I think people will be talking about this actress for a long time to come. She has an acting power whose limits cannot yet be imagined. She has found her way into the role of Julie, so that one believes the rarest things about her. Not everything came out on Sunday. How could the artists not become self-conscious when people were laughing incessantly down there in the stalls! But at the dress rehearsal, we were all serious, in a very peaceful mood: she played a Julie that we will never forget.

Willy Froböse played Antonio, the third, with whom Julie cheats on the second, 'Abel. One can imagine that someone else, whose individuality is better suited to this role, would bring it out better. But Froböse has achieved something that is at least worthy of recognition. The fact that the audience's laughter muscles were irritated to the highest degree during his performance was detrimental to him. Hermann Böttcher played Abel. I don't think he did justice to the role. It doesn't suit him.

Neither the effort that Otto Erich Hartleben nor Gustav Rickelt had put into the preparation received the reward they deserved. Everything was drowned in laughter.

They sat for days and prepared a serious play, and in reality they had prepared an illusion.

«BALKON»

Drama von Gunnar Heiberg
Aufführung der Berliner Dramatischen Gesellschaft im Residenz-Theater, Berlin

An den «Ungebetenen» schloß sich Gunnar Heibergs «Balkon». Zu diesem Dichter habe ich ein ganz besonderes Verhältnis. Als ich vor zehn Jahren in Wien seinen «König Midas» sah, war ich halb verrückt. Ich kam aus dem Theater mit einer unbegrenzten Heiberg-Schwärmerei. Ich konnte nicht nach Hause gehen, ganz begeistert setzte ich mich in das nächste Gasthaus, ließ mir Tinte und Feder geben und stammelte Worte auf das Papier. - «Das Wetterleuchten einer neuen Zeit» schrieb ich darüber. Ich gab sie einem Freunde, der eine Zeitschrift redigierte — so eine, die hundert Leute, das heißt niemand, lasen. Da erschienen sie. Dann ging ich zu meinen Freunden, lauter verständigen Leuten. Da müßt ihr hineingehen, sagte ich ihnen. Sie gingen hinein und — lachten mich aus. Wie einen Kindskopf behandelten sie mich.

Ich bin seither älter geworden. Aber das höhnische Lachen, das am letzten Sonntag fortwährend zu hören war, während der «Balkon» gespielt wurde, hatte doch etwas Verletzendes für mich. Für mich ist Heiberg ein Dichter, dem ich um seiner Tugenden willen seine Laster vergebe.

Da ist Julie, das Weib, das genial lieben kann und geliebt sein will, und das durch die Aufrichtigkeit seines Liebebedürfnisses zur Zynikerin wird in dem Sinne, wie Nietzsche den Zynismus verstanden wissen will. Mit Reßmann, dem Ekel, ist sie vermählt. Mit Abel, dem Gelehrten, der Menschheit dienenden Schwärmer, betrügt sie den alten Ekel, den Reßmann. Als dieser sie mit ihrem Liebhaber überrascht, stellt sie Abel vor als Käufer des Hauses, das sie mit Reßmann zusammen besitzt. Zu den Einrichtungen dieses Hauses gehört auch der Balkon, der einen Sprung hat. Reßmann will dem Käufer alle Einzelheiten des Hauses vorführen. Er trampelt auf dem zersprungenen Balkon herum, um eine Vorstellung von dessen Festigkeit zu erwecken. Dabei stürzt der Balkon ein, und der Ekel zerspaltet sich den Schädel. Das Liebespaar ist den widerlichen Ehemann los. Julie und Abel danken mit gefaltetren Händen dem Schöpfer für ihre Freiheit. Das ist vielleicht roh — wenn man durchaus nur Wahrheiten für die Gutgesinnten wünscht. Warum hat sie denn diesen Reßmann geheiratet, wenn sie ihn so verabscheut? — fragen die Gutgesinnten. Sie haben ja vielleicht recht. Aber die Rechte sind billig wie die Brombeeren.

Abel ist ein Gelehrter. Er wirkt für die Menschheit. Ihr hält er Vorträge, auf daß sie vollkommen werde. Dabei erkaltet das Verhältnis zu der liebedurstigen Julie. Zwar ist sie glücklich mit ihm. Aber nur so lange, bis der Mann kommt, dessen Leidenschaft sie überwältigt. Der sich die Kraft des Leibes noch erhalten hat neben der Geistigkeit. Mit ihm betrügt sie den zweiten. Und dieser benimmt sich als betrogener Philosoph tadellos. Er ergibt sich in sein Schicksal. Was ist die Tatsache, daß er das Herz des geliebten Weibes verloren hat, gegen die andere, daß wir alle einmal sterben müssen — das heißt uns trennen, nicht nur von einem geliebten Weibe, sondern von allen Freuden des Daseins.

Kluge Menschen haben herausgefunden, das Drama sei eine Satire auf die Liebe, und noch andere Kluge meinen, es sei eine Parodie auf Ibsens und Björnsons dramatische Art. Meinerwegen mögen diese recht haben. Ich sehe in dem Stücke ein Stück Leben, das sich zwischen Menschen abspielt, die ihren Herzen folgen. Die nicht mehr Komödie spielen, als dieses unvollkommene Leben einmal braucht, aber dieses notwendige Stück auch mit allem Zynismus, ohne den es nicht abgeht.

Hans Pagay hat den Reßmann, den Ekel, zu guter Wirkung gebracht. Auf den Proben wollte er durchaus nicht glauben, daß er sich deswegen den Kopf zerschellt, weil er dem Häuserkäufer den Balkon so fest als möglich darstellen will. Durch sein Spiel scheint er diese Meinung auch dem Publikum suggeriert zu haben.

Das zynisch-aufrichtige Weib gab Mila Steinheil mit allem Raffinement, das diese Rolle erfordert. Ich glaube, man wird von dieser Darstellerin noch viel sprechen. Eine schauspielerische Kraft ruht in ihr, deren Grenzen man vorderhand noch gar nicht ahnen kann. In die Rolle der Julie hat sie sich hineingefunden, so daß man ihr das Seltenste glaubte. Am Sonntag kam gar nicht alles heraus. Wie sollten die Künstler nicht befangen werden, wenn man da unten im Parkett unausgesetzt lachte! Aber bei der Generalprobe, da waren wir alle ernst, ganz friedlich gestimmt: da spielte sie uns eine Julie, die wir nie vergessen werden.

Den Antonio, den dritten, mit dem die Julie den zweiten, den ‚Abel betrügt, spielte Willy Froböse. Man kann sich denken, daß ein anderer, dessen Individualität diese Rolle besser angepaßt ist, sie besser zur Geltung bringt. Aber Froböse hat geleistet, was immerhin anerkennenswert ist. Daß die Lachmuskeln des Publikums bei seinem Auftreten bis auf den höchsten Grad gereizt waren, beeinträchtigte ihn. Hermann Böttcher gab den Abel. Ich glaube nicht, daß er der Rolle gerecht wurde. Sie liegt ihm nicht.

Weder die Mühe, die sich Otto Erich Hartleben, noch diejenige, die sich Gustav Rickelt bei der Vorbereitung gegeben hatten, fanden den Lohn, der ihnen gebührt. Im Lachen ging alles unter.

Man saß tagelang und bereitete ernst ein ernstes Stück vor, und in Wirklichkeit hatte man — eine Ulkstimmung präpariert.