Spring Sale! Free domestic shipping $50+ →

The Rudolf Steiner Archive

a project of Steiner Online Library, a public charity

Collected Essays on Drama 1889–1900
GA 29

Automated Translation

Magazin für Literatur 1898, Volume 67, 36

86. “Johanna”

Play in three acts by Björn Björnson
Performance at the Deutsches Theater, Berlin

Björn Björnson is, as can be seen from his play "Johanna", a complicated personality. Firstly, he is a clever man who lacks the power with which real poets create. That is why he has a good understanding of an interesting problem that is in the air, but he cannot develop this problem so dramatically that one likes to follow him. Secondly, he is a man who understands stage routine and who could therefore write a good "play" if he wanted to exercise this ability, but at the same time he wants to be a distinguished artist. That's why his play hovers in the middle between "theater product" and work of art. Thirdly, he is a man who wants to be a free spirit, but who is only capable of replacing old prejudices with new ones. That is why he paints the bearers of outdated opinions as black as possible. And finally, fourthly, he is the bearer of a famous name. That's why his play is performed on stages that would hardly have bothered with it if it had been written by a common miller.

I'm sorry about the problem. Johanna Sylow is a talented girl who will probably go far in the musical arts if she can develop freely according to her talents. Her father is dead. Although he was a simple master carpenter, he had a rare love of art and a musical sense. He passed both on to his daughter. But she also received another heirloom from him, namely a groom. At the hour of his death, she had to promise him that she would seek her happiness in marriage to the theologian Otar Bergheim, for the caring father was of the opinion that he could die in peace, knowing that his beloved child would be under the protection of this faithful soul. Johanna now lives in a house with her mother, the widow Sylow, with her two siblings Hans and Johann, with her bridegroom and an old uncle. A bright future as an artist seems to be her "inner destiny". But how is she to reach her goal? Her mother is naturally stupid and understands nothing of her daughter's talents. The brothers are naughty wranglers who are always bickering and fighting and making such an unholy racket that Johanna can't work. The bridegroom is a good theologian who is determined to keep the promise he made to Johanna's father on his deathbed. He wants to be a firm support for Johanna in life, but he also wants to feel a little of that without which a love affair is not really possible: a kiss or something similar here and there. But Johanna lives too much in her artistic dreams to have time for such things. Moreover, the good theologian cannot bear his bride's artistry. He is constantly tormented by the thought that she will roam the world as an artist, while he, as a priest, must be pining for her somewhere. These two natures do not belong together; yet they seem to be chained together by the will of the deceased. What is to become of Johanna? A fine task for a true poet would be to show the terrible struggles the girl goes through until she is strong enough on her own to break the vow she has made to her father, or until she perishes because she is unable to do so. Björnson does things differently. Hans Sylow, the good uncle, fully understands his talented niece and does everything he can to pave the way for her to become a free artist. At the right time, Peter Birch, the impresario, is also there to take care of business matters, and Sigurd Strom, the poet with the free outlook on life, who raves to the girl about what lies dormant in her and what she is called to do - finally, to ensure that everything goes smoothly, a good friend who provides temporary accommodation when the good uncle, the rapturous poet and the clever impresario have brought the budding artist to the point where she runs away from her bridegroom.

The audience is shamefully deceived. He is promised an interesting conflict of the soul: he has to make do with an uninteresting plot and with people who are too insignificant to captivate us with the psychological conflicts that the poet wants to portray with them.

In addition to all this, the performance in the Deutsches Theater did not meet the expectations with which one goes to this house. Only Emanuel Reicher played Uncle Hans with the humor in which the role is intended. Lotti Sarrow seems to have none of the things that actors have to bring to their profession. The girl the poet had in mind is interesting - the girl he drew is less interesting - the girl Lotti Sarrow portrays is the least interesting.

«JOHANNA»

Schauspiel in drei Akten von Björn Björnson
Aufführung im Deutschen Theater, Berlin

Björn Björnson ist, wie sich aus seinem Schauspiel «Johanna» ergibt, eine komplizierte Persönlichkeit. Erstens ist er ein kluger Mann, in dem die Kraft, mit der wirkliche Dichter schaffen, nicht vorhanden ist. Deshalb hat er ein gutes Verständnis für ein interessantes Problem, das in der Luft liegt, aber er kann dieses Problem nicht so dramatisch ausgestalten, daß man ihm gerne folgt. Zweitens ist er ein Mann, der sich auf Bühnenroutine versteht und der deshalb ein gutes «Theaterstück» schreiben könnte, wenn er diese Fähigkeit walten lassen wollte, aber er will zugleich ein vornehmer Künstler sein. Deshalb schwebt sein Stück in der Mitte zwischen «Theaterware» und Kunstwerk. Drittens ist er ein Mann, der Freigeist sein will, der aber nur neue Vorurteile an die Stelle von alten zu setzen vermag. Deshalb malt er die Träger veralteter Meinungen so schwarz wie möglich. Und endlich viertens ist er der Träger eines berühmten Namens. Deshalb wird sein Stück auf Bühnen aufgeführt, die sich um dasselbe kaum gekümmert hätten, wenn es von einem gemeinen Müller herrührte.

Um das Problem ist mir leid. Johanna Sylow ist ein begabtes Mädchen, die es in der musikalischen Kunst wahrscheinlich weit bringen wird, wenn sie sich frei, ihren Anlagen gemäß, entwickeln kann. Ihr Vater ist tot. Er hat, trotzdem er ein einfacher Tischlermeister war, seltene Kunstliebe und einen musikalischen Sinn gehabt. Beides hat er seiner Tochter vererbt. Dazu hat sie aber noch ein anderes Erbstück von ihm erhalten, nämlich einen Bräutigam. In seiner Sterbestunde hat sie ihm versprechen müssen, daß sie ihr Lebensglück in der Ehe mit dem Theologen Otar Bergheim suchen werde, denn der fürsorgliche Vater war der Meinung, daß er ruhig sterben könne, wenn er weiß, daß sein geliebtes Kind unter dem Schutze dieser treuen Seele stehen werde. Johanna lebt nun in einem Hause mit ihrer Mutter, der Witwe Sylow, mit ihren beiden Geschwistern Hans und Johann, mit ihrem Bräutigam und einem alten Onkel. Eine glänzende Zukunft als Künstlerin scheint ihre «innere Bestimmung» zu sein. Aber wie soll sie zum Ziele kommen? Die Mutter ist natürlich dumm und versteht nichts von den Anlagen ihrer Tochter. Die Brüder sind ungezogene Rangen, die sich immer zanken und herumbalgen und einen so heillosen Lärm machen, daß Johanna nicht arbeiten kann. Der Bräutigam ist ein braver Theologe, der fest entschlossen ist, das Versprechen, das er Johannens Vater auf dem Totenbette gegeben hat, zu halten. Er will Johanna eine feste Stütze im Leben sein, aber er möchte doch auch ein wenig etwas von dem verspüren, ohne das ein Liebesverhältnis doch einmal nicht recht möglich ist: hie und da einen Kuß oder etwas Ähnliches. Johanna lebt aber zu sehr in ihren Künstlerträumen, um zu dergleichen Zeit zu haben. Außerdem kann der gute Theologe das Künstlertum seiner Braut durchaus nicht ertragen. Der Gedanke, sie werde als Künstlerin die Welt durchschweifen, während er als Pfarrer irgendwo in Sehnsucht nach ihr schmachten müsse, quält ihn unaufhörlich. Diese beiden Naturen gehören nicht zusammen; dennoch scheinen sie durch den Willen des Verstorbenen aneinandergekettet. Was soll aus Johanna werden? Eine schöne Aufgabe für einen wahren Dichter wäre es, die furchtbaren Kämpfe zu zeigen, die das Mädchen durchmacht, bis sie aus eigener Kraft stark genug ist, das Gelöbnis, das sie dem Vater gemacht hat, zu brechen, oder bis sie, weil sie das nicht vermag, zugrunde geht. Björnson macht die Sache anders. Hans Sylow, der gute Onkel, hat volles Verständnis für die begabte Nichte, und er tut alles, um ihr die Wege in das freie Künstlertum zu bahnen. Zur rechten Zeit ist auch Peter Birch, der ImPresario, da, der das Geschäftliche besorgt, und Sigurd Strom, der Dichter mit der freien Lebensauffassung, der dem Mädchen vorschwärmt von dem, was in ihr schlummert und wozu sie berufen ist — zuletzt, damit ja alles ordentlich geht, eine gute Freundin, die für vorläufige Unterkunft sorgt, als der gute Onkel, der schwärmerische Dichter und der pfiffige Impresario die angehende Künstlerin soweit gebracht haben, daß sie ihrem Bräutigam davonläuft.

Der Zuschauer ist schmählich betrogen. Ein interessanter Seelenkonflikt wird ihm versprochen: mit einer uninteressanten Handlung und mit Menschen, die zu unbedeutend sind, als daß uns die psychologischen Konflikte, die der Dichter mit ihnen darstellen will, fesseln könnten, muß er vorliebnehmen.

Zu dem allem kam, daß die Aufführung im Deutschen Theater durchaus nicht den Erwartungen entsprach, mit denen man in dieses Haus geht. Nur Emanuel Reicher gab den Onkel Hans mit dem Humor, in dem die Rolle gedacht ist. Lotti Sarrow scheint nichts von den Dingen zu haben, die der Schauspieler nun einmal zu seinem Beruf mitbringen muß. Das Mädchen, das dem Dichter vorgeschwebt hat, ist interessant — das Mädchen, das er gezeichnet hat, ist weniger interessant — das Mädchen, das Lotti Sarrow darstellt, ist am wenigsten interessant.