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The Rudolf Steiner Archive

a project of Steiner Online Library, a public charity

Collected Essays on Drama 1889–1900
GA 29

Automated Translation

Magazin für Litertur 1899, Volume 68, 8

110. “The Last People”

Drama by Wolfgang Kirchbach
Performance of the "Verein für historisch-moderne Fesispiele" at the Neues Theater, Berlin

Wolfgang Kirchbach has dramatized the fate of the "last human couple" in the form of a poet's dream and had this dream drama performed on 19 February as part of the "historical-modern festival" series. A lot seems to be allowed in dreams; and when someone appears and tells us: "I dreamt this", he disarms us to a certain extent. We are quite helpless in the face of what the Lord gives us in our sleep. But after all, we want to be able to believe in a poet's dream. We want to have a sense that there is a human necessity to dream in this way. And that someone can dream about the universe in the way Wolfgang Kirchbach pretends to have dreamed, we never believe. Modern science teaches us that the world will gradually freeze over and bury all existence in eternal rest. Kirchbach shows us the time before this glaciation. Sirens, nymphs, fauns, Proteus, Pan and similar mythical creatures live in this time. The fact that humans once lived is initially unknown to them. Then the last man appears. He comes from an Eskimo. The mythical creatures want to destroy him. For what is to become of them when man establishes a new kingdom? They live without restraint, without morality and law. Man could only destroy this life. - It is completely pointless to describe the battles between the mythical creatures of nature and man, as Kirchbach does. Suffice it to say that the last man believes himself to be the first, because he sees no beings of his kind around him. Strangely enough, the last woman is also still there. Love develops between the two. Man feels the joy of life. He wants to defeat the gods of nature and establish a new kingdom. The woman also forces the great Pan into the magic circle of her love. He puts on human clothes to please her. She spurns him. He dies of a broken heart. And with the death of the great Pan, the end of the world is sealed. Even the last man dies last. And that is because Proteus takes away his belief that he is the first of his race and shows him that no new life can arise from the womb of man.

After all, Wolfgang Kirchbach can dream like that. That is his business. Our hearts remain as icy as the end of the world he depicts throughout the whole process. Everything sounds hollow. We do not have the feeling that here a poet has solved a task that he has experienced in his deepest depths. We are only dealing with a man who has a completely external relationship to the great questions which he draws into the circle of his art. Everything is done with levers and screws. Not for a moment does inner warmth flow from the poet to us. It is quite possible in dreams, for example, that fauns nine hundred billion years old do not know what a bootjack is, which they dig out of the ruins of the world at the end of existence; it is also possible in dreams that within the desolate time that precedes the end of the world, a well-formed human couple still emerges. But we smile at such a dream when we remember it after a good night's sleep. Wolfgang Kirchbach, however, records it and seems to believe that we could dream along with him. No, we only smile there too. And then comes the anger, the perhaps unreasonable anger that Wolfgang Kirchbach has brought it upon himself to show us what the Lord taught him in his sleep about the end of the world. Poets should live through their Faust problem while awake. They may then have no excuse for their fantastic improbabilities, but they will remain artistically honest. And being artistically honest means above all: keeping quiet about things you have nothing to say about.

«DIE LETZTEN MENSCHEN»

Drama von Wolfgang Kirchbach
Aufführung des «Vereins für historisch-moderne Fesispiele» im Neuen Theater, Berlin

Wolfgang Kirchbach hat in Form eines Dichtertraumes das Schicksal des «letzten Menschenpaares» dramatisiert und am 19. Februar in der Reihe der «historisch-modernen Festspiele» dieses Traumdrama aufführen lassen. Im Traume scheint viel gestattet zu sein; und wenn jemand auftritt und uns sagt: «Dies habe ich geträumt», so entwaffnet er uns gewissermaßen. Wir sind recht hilflos gegenüber dem, was der Herr im Schlafe gibt. Aber schließlich wollen wir doch auch an einen Dichtertraum glauben können. Wir wollen eine Empfindung davon haben, daß eine menschliche Notwendigkeit vorliegt, gerade so zu träumen. Und daß jemand so über das Weltall träumen kann, wie Wolfgang Kirchbach vorgibt, geträumt zu haben, glauben wir nimmermehr. Die moderne Naturwissenschaft lehrt uns, daß die Welt allmählich einer Vereisung anheimfallen und in dieser alles Sein zur ewigen Ruhe bestatten wird. Die Zeit vor dieser Vereisung führt uns Kirchbach vor. Sirenen, Nymphen, Faune, Proteus, Pan und dergleichen Fabelwesen leben in dieser Zeit. Daß einmal Menschen gelebt haben, ist ihnen zunächst unbekannt. Da tritt der letzte Mann auf. Er stammt von einem Eskimo. Die Fabelwesen wollen ihn vernichten. Denn was soll. aus ihnen werden, wenn der Mensch ein neues Reich errichtet? Sie leben zügellos, ohne Sitt' und Gesetz. Der Mensch könnte dieses Leben nur zerstören. — Es ist völlig zwecklos, die Kämpfe zwischen den Naturfabelwesen und dem Menschen zu schildern, wie sie Kirchbach vorführt. Es genügt zu sagen, daß der letzte Mensch sich für den ersten hält, weil er ja keine Wesen seiner Art um sich erblickt. Merkwürdigerweise ist auch das letzte Weib noch da. Die Liebe zwischen beiden entsteht. Lebensfreude fühlt der Mensch. Er will die Naturgötter besiegen und ein neues Reich begründen. Das Weib zwingt auch den großen Pan in den Zauberkreis ihrer Liebe. Er steckt sich in menschliche Kleidung, um ihr zu gefallen. Sie verschmäht ihn. Er stirbt an gebrochenem Herzen. Und mit dem Tode des großen Pan ist der Weltuntergang besiegelt. Auch der letzte Mensch stirbt zuletzt. Und zwar deswegen, weil ihm Proteus den Glauben nimmt, er sei der erste seines Geschlechts, und ihm zeigt, daß kein neues Leben aus dem Schoße des Menschen entstehen könne.

Mag Wolfgang Kirchbach doch immerhin so träumen. Das ist seine Sache. So eisig wie das Weltende, das er darstellt, bleibt auch unser Herz während des ganzen Vorganges. Hohl klingt alles. Wir haben nicht das Gefühl, daß hier ein Dichter eine Aufgabe gelöst hat, die er im tiefsten Innern erlebt hat. Wir haben es nur mit einem Menschen zu tun, der ein ganz äußerliches Verhältnis zu den großen Fragen hat, die er in den Kreis seiner Kunst zieht. Alles ist mit Hebeln und Schrauben gemacht. Innere Wärme strömt keinen Augenblick von dem Dichter zu uns über. Es ist ja zum Beispiel im Traume durchaus möglich, daß Faune, die neunhundert Milliarden Jahre alt sind, nicht wissen, was ein Stiefelknecht ist, den sie am Ende des Seins aus den Trümmern der Welt ausgraben; es ist im Traume auch möglich, daß innerhalb der verödeten Zeit, die dem Weltenende vorangeht, noch ein wohlgestaltetes Menschenpaar entsteht. Aber über einen solchen Traum lächeln wir, wenn wir uns seiner nach dem Ausschlafen erinnern. Wolfgang Kirchbach zeichnet ihn aber auf und scheint zu glauben: wir könnten mitträumen. Nein, wir lächeln auch da nur. Und dann kommt der Zorn, der vielleicht unvernünftige Zorn darüber, daß Wolfgang Kirchbach es über sich gebracht hat, uns darzustellen, was ihm der Herr im Schlafe über den Weltuntergang beigebracht hat. Dichter sollten ihr Faustproblem doch im Wachen durchleben. Sie haben dann vielleicht keine Entschuldigung für ihre tollen Unwahrscheinlichkeiten; aber sie werden doch künstlerisch ehrlich bleiben. Und künstlerisch ehrlich sein heißt vor allem: schweigen über Dinge, über die man nichts zu sagen hat.